Progetto Murinell, Arzo

 

Das letzte Schreiben im Kontext dieser Projektarbeit:

«Es ist still geworden um das Progetto Murinell. Die Idee und die Pläne zur Erhaltung dieser letzten wasserbetriebenen Marmorsägerei der Schweiz als Kurslokalität und Ort kreativen Schaffens stiess auf positives Echo beiden angeschriebenen Personen und Institutionen. Die genauen juristischen Abklärungen im Zusammenhang mit der Kaufofferte haben inzwischen aber derart viele grundbuchliche Unsicherheiten an den Tag gebracht, dass das Projekt in einem andem Licht beurteilt werden muss.

Bei den in den letzten Jahrzehnten vorgenommenen Besitzaufteilungen wurden offenbar immer wieder Vereinbarungen getroffen, die im provisorischen Grundbuch nicht aufgenommen worden sind. Dies führte zu einer wesentlich komplizierteren und unklareren Situation, als dies ursprünglich angenommen werden konnte, und deren Bereinigung unter Umständen zu sehr mühsamen Auseinandersetzungen führen könnte.

Der Kauf solcher Liegenschaften im heutigen Zustand brächte somit abenteuerliche Risiken mit sich, die einer Stiftung als zukünftiger Besitzerin nicht zugemutet werden können. Weiter muss die Realisierbarkeit von zwei zentralen Anliegen des Projektes, nämlich die Wiederinstandsetzung der Wasserwege und die Einrichtung von sinnvoll zusammenhängenden Baustrukturen für Werkräume etc. als äusserst gering eingestuft werden.

Damit kann nicht mehr mit der dringend notwendigen finanziellen Unterstützung der bisher interessierten Kreise gerechnet werden. Es muss deshalb von einem Erwerb abgesehen und zum grossen Bedauern aller bisher Beteiligten auch sämtliche Arbeiten am «Progetto Murinell» eingestellt werden.

Zürich/Besazio, September 1994»

Mit diesem Schreiben wurden sämtlich Aktivitäten eingestellt und der bereits gegründete Verein aufgelöst. Ein paar Spuren blieben lediglich in jenem virtuellen Raum, der just in jener Zeit eine erste Verbreitung erfuhr, im Internet – so beispielsweise auf der Seite der AAPM, einer damals aktiven «Vereinigung der Freunde der Montagna del San Giorgio», oder auf der italienischen Plattform «Business Stone».

 

Nachtrag 1:

Von den Oekonomiegebäuden der vormaligen Marmorsägerei und Steinmahlwerkes «Murinell», dem eigentlichen Herzen dieses Handwerkerhofes (Bild 1 und 3), ist heute nichts mehr zu sehen. Sie wurden im Zuge einer Renovation und Modernisierung des früheren Wohntraktes komplett abgerissen (Bild 5). Die ursprüngliche Hofanlage ist nicht mehr zu erkennen. Damit ist die bereits Anfang der Neunzigerjahre des letzten Jahrhunderts nur noch knapp erkennbare, letzte Marmorsägerei der Schweiz definitiv verloren gegangen.
Meride, März 2011


Nachtrag 2:

In den letzten Jahren sind Vorstösse aus dem Umfeld des Patriziates von Arzo unternommen worden, in den still gelegten Marmorbrüchen einen Lehrpfad zur Steinverarbeitung einzurichten. Der grösste dieser Brüche soll auch einer neuen Nutzung zugeführt werden, in der grossen Naturarena soll ein Veranstaltungsort entstehen. Und mit dem Begriff «anfiteatro» wird just das Wort aufgegriffen, das schon im Zusammenhang vom «Progetto Murinell» geprägt worden ist und für den Ort (Bild 6) einer geplanten Benefizveranstaltung stand – die noch projektiert, aber dann nicht mehr durchgeführt worden ist.
Wenn auch Vieles verloren gegangen ist, schön zu sehen, dass gewisse Dinge doch Bestand haben – Stein ist eben dauerhaft…
Meride, Anfang 2015

 

Bildindex:  Fotos 1 + 3: 1992 Nadia Bindella, Meride; Fotos 2 (1992) + 5 (2011): Lothar Drack, Zürich/Meride; Skizzen 4 (1993) + 6 (1992): Lothar Drack, Zürich/Meride