<link internal-link internen link im aktuellen>> zurück zu Projekt

[Sospira… un cortile a Meride] – Veranstaltungen in Hof und Garten

 

Hinschauen, aufhorchen, verweilen – oder eben  [Sospira… uno dei cortili di Meride]

Die Einweihung des Billardtisches am Abend des 20. August 2016 gelang, trotz zeitweilig heftiger Regenschauer. Kunststück, schliesslich ist dieser Hofteil ja auch gedeckt! Hamper von Niederhäusern, Konstrukteur der ausgeklügelten Hebeeinrichtung, war auch dabei, bevor er ins Calancatal zurückreiste, wo er auf einem Gehöft in stotziger Lage mit speziellen Konstruktionen ebenfalls zur Hand geht. Das Ausgeklügelte ist seine Spezialität, die er auch hier hinterlässt: Nach beendetem Spiel kann ich den Tisch mit einem Seilzug hochkurbeln, um wieder Platz für den Alltag zu schaffen. Beim zweiten oder dritten Glas entstand die Idee, in offenem Rahmen und in regelmässiger Folge lockere Billardabende zu realisieren (PDF zum Herunterladen ganz unten), vom Frühling bis in den Herbst.

Denn dieser schöne, gut erhaltene Hof soll auch genutzt werden, wenn auch in anderer Art als zur Zeit seiner Entstehung. Die einstige landwirtschaftliche Nutzung kann anhand der noch vorhandenen Einrichtungen aber noch unschwer abgelesen werden: Kleintierstall, Verschläge für Hühner und Kaninchen, ein gedeckter Miststock, der Stall für zwei, drei Kühe, ja selbst den versteckten Ort, wo einstmals das Hausschwein wohnte, kann man noch finden!

Selbstverständlich sollen hier nicht nur Billardabende stattfinden, sondern auch Tage der offenen Türe, Ausstellungen, Ateliers, kleinere Anlässe wie eine Soiree oder eine Matinee etc. sollen möglich sein.

 

Zur Geschichte des Hofes

Irgend eine besondere Fügung des Schicksals führte mich nicht nur nach Meride, sondern just in jenen Handwerkerhof, der vor knapp dreihundert Jahre vom wohl bekanntesten Stuckateur Merides, von Giovanni Battista Clerici (1673-1736), zu seinem Wohnsitz ausgebaut worden war. Sein ganzes Leben lang und unter vielen Entbehrungen hatte Clerici darauf hingearbeitet. Erst wenige Jahre vor seinem Tode hatte er sich diesen Herzenswunsch auch tatsächlich erfüllen können: In den frühen Dreissigerjahren des 18. Jahrhunderts konnte er seine Familie auf diesem Hof endlich zusammenführen.

Der Hof stellte dann für zwei weitere Generationen von Stuckateuren mit deren Familien den Lebensmittelpunkt dar: Sohn Giuseppe Maria Clerici (1701-1761), der vor allem in Deutschland aktiv war, Enkel Giovanni Antonio Clerici (1726-1774), in der Schweiz und in Frankreich tätig – dort als «Stuccateur du Roi». Später ging der Hof durch Heirat einer Tochter an eine andere Patrizierfamilie über: Maria Elisabetta Clerici heiratete 1774 Carl’Antonio Barbieri. Beide Namen, Clerici wie Barbieri, sind in Meride seit geraumer Zeit nicht mehr vertreten.

Anfang 20. Jahrhundert, der Hof war inzwischen aufgeteilt worden, wohnten im einfacheren westlichen Teil des Hofes die Pontis. Die Gallis, die es mit einem Gazosafabriklein in Chiasso zu einem gewissen Wohlstand gebracht hatten, besassen den östlichen Hofteil, der nun mit einer Mauer abgegrenzt war. Die Mitte des Zugangstors aus lanzenförmigen Stäben zierte der blecherner Buchstabe «G». Ja, man übte keine Zurückhaltung, den materiellen Wohlstand zu zeigen, was sich auch dadurch manifestierte, dass man nur im Sommer hier residierte. Die Nachfahren dieser Gallis brachten wiederum neue Geschlechtsnamen in den hablicheren Teil des typisch lombardischen Handwerkerhofes, der auch weiterhin Sommerresidenz blieb: zuerst Catalano, dann Montorfano – beides Ehemänner italienischer Nationalität.

1970 starb im bescheideneren, kleinbäuerlicheren Hofteil der verwitwete Luigi Ponti, kinderlos. Die Erbgemeinschaft verkaufte diesen bald darauf an eine Zürcher Familie, die das Haus in Stand setzen liess und es fortan ausschliesslich als Ferienhaus für sich selbst nutzte. Als ich dieses Ende 2010 käuflich übernommen hatte, wusste ich nicht, dass auch der hintere Teil des Hofes zum Verkaufe stand. 2013 kam es dort zu einem Handwechsel. Eine «graue Eminenz» im Dorfe mit umfangreichem Immobilien-Portfolio, Jurist wie dessen Vater, Schwester und Schwager, hatte die Liegenschaft erworben. Ein Nachfahre italienischer Auswanderer des 19. Jahrhunderts, die sich im Tessin gut integriert hatten, mehr noch, sein Zweig verstand es gar, sich im Verlaufe der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im hiesigen Geldadel zu etablieren.
Im Frühjahr 2016 wurde ein Baugesuch eingereicht, dessen Projektname «Castel Cedro» schon böse Vorahnungen aufkommen liess, die sich bei genauerem Hinschauen bestätigten: Mit der Realisierung dieses Vorhabens würde die Geschichte des Handwerkerhofes und damit notabene ein wichtiger Teil der Dorfgeschichte definitiv verloren gehen. Leider hatte im Herbst 2014 eine erste Ausräumung bereits archäologisch interessante Bausubstanz definitiv entsorgt. Diese mehrmonatige, notabene nicht angekündigte Tätigkeit wurde aber im Nachhinein vom zuständigen Chefbeamten von Mendrisio abgesegnet.

Die Società ticinese arte e natura (STAN – Tessiner Sektion des Schweizer Heimatschutzes) sowie ein Nachbar haben am 9. Mai 2016 Einspruch gegen dieses Baugesuch eingelegt. Der neue Besitzer hat sich mit der STAN aber schnell geeinigt: Die Anzahl der ursprünglich geplanten, offenbar als zu modernen empfundenen Schlitzfenster in den altehrwürdigen Bruchsteinmauern sollte reduziert werden. Bei der fensterlosen Hofbaute zum Beispiel sollten an Stelle von vier Schlitzfenstern neu nur ein grosses, fast flächendeckendes Fenster realisiert werden – eine Riesenöffnung zwar, aber kaschiert durch versetzt aufgemauerte Backsteine, wie es da und dort bei alten Heuschobern zu sehen ist. Fingierte, rurale Architektur, im leider Tessin üblich – andernorts undenkbar: In aller Regel legen Denkmalpfleger Wert auf eine klare Ablesbarkeit neuzeitlicher Eingriffe in alter Bausubstanz.
So hat sich immerhin die Zahl der neuen Öffnungen etwas reduziert, statt 38 sind es nur noch 34! Wohlbemerkt, der Dorfkern von Meride steht unter hohem Ortsbildschutz, und dieses Objekt unter einem noch grösseren Schutz als «gewöhnliche» Häuser wie meines. Nirgends im Dorfkern sind neue Öffnungen erlaubt. Die Behörden von Mendrisio bewilligten aber «Progetto Castel Cedro» mit seinen 34 neuen Öffnungen, für Fenster oder Türen! Erst ein Rekurs an den Regierungsrat des Kantons Tessin führte dazu, dass nach eingehenden Abklärungen der Regierungsrat die Behörden von Mendrisio und die involvierten Büros der kantonalen Verwaltung am 10. April 2018 in einem ausführlichen Schreiben rügte und die Baubewilligung für ungültig erklärte. Aber die juristischen Wege sind lang, der neue Besitzer wollte das nicht hinnehmen und zog die Sache ans Verwaltungsgericht in Lugano weiter.

Fortsetzung folgt.


«Ironie des Schicksals. Wichtige Zeugen der Geschichte Merides sind hier bereits entsorgt worden. Als unmittelbarer Nachbar werde ich den fortschreitenden, unwiderruflichen Verlust von Kulturgut tagtäglich vor Augen haben… nebst dem Erlernen einer neuen Sprache und der Auseinandersetzung mit einer anderen Kultur eine weitere Herausforderung aufs Alter hin!»


Bildindex:
1 -  «biliardo e chiaccherate intorno ad un tavolo volante» / 2 - Un po' di biliardo, musica e chiaccherate» / 3 - Einladungskarte «Omaggio alle lucciole» 8.6.2019 / 4 - Rückseite von «Omaggio alle lucciole» 8.6.2019 / 5 - Grosses Dankeschön an alle fürs Gelingen von «Omaggio alle lucciole» /  6 - Carta d'invito al «Ferragosto», Venerdì 27 e Sabato 28 giugno 2014 / 7 - Ein grosses Dankeschön an alle für die zwei schönen Abende «Ferragosto» nel giugno 2014